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Johannes Schreiter - Fenster St. Nikolai Kiel
Johannes Schreiter: Fenster in der Taufkapelle von St. Nikolai zu Kiel
Umkehr
durch Johannes Schreiter
Die in meinen Arbeiten seit Jahrzehnten neu beachteten archetypischen Bildorte kommen in meinen Entwürfen für die Taufkapellenfenster von St. Nikolai zu Kiel in besonderer Reinheit zum Tragen und korrespondieren zudem mit der eindringlichen Parabel Jesu vom Verlohrenen Sohn. Dort, wie auch im meinem Fensterkonzept, geht es um Aufbruch aus der ursündigen Gleichgültigkeit und Autonomie-Sucht des Menschen zurück zum Vater. So unentbehrlich auch jedes mögliche Aufbrechen im uns aufgegebenen Bios sein mag, allein die anstehende Rückkehr zu Gott ist von wirklich existentieller Bedeutung.
Nach den archetypischen Bildorten beinhaltet die linke Bildseite Eingang, Geburt, Leben und die gegenüberliegende Rechte Ausgang bzw. Tod. Diese Deutung trifft allerdings nur auf Kulturen zu, in denen von links nach rechts geschrieben respektive gedacht wird.
In dem mittels einfacher Formen visualisierten Szenarium wird der Aufbruch des weitgehend zerstörten Menschen zurück zum Vater erkennbar. Die beschwerliche aber nichtsdestoweniger zielhaltige Wanderung zeigt noch eine ausgesprochen horizontale Bewegung.
Im rechten Fenster ist eine düstere U-Form zu sehen, die noch der Todseite zugewandt ist. Ein kleines, glühendes Rot – vielleicht das Gewissen – signalisiert aber bereits die notwendige Umkehr. Sie beginnt mit der sich nach der Geburtseite hin ausstreckende U-Chiffre voller Verletzungen. Heftige Linien (‘Anfechtungen’) scheinen dieser Sinneänderung den Weg zu versperren wollen.
Im zweiten Fenster von rechts ist das dahineilende U-Zeichen schon viel geheilter, wenngleich die linearen ‘Querschläger’ noch immer Seine Umkehr attackieren. Ein schmaler weissgoldener ‘Impuls’ von oben gibt ihm die Kraft zum Durchhalten.
Im dritten Fenster von rechts schliesslich der Vorgeschmak des vollen göttlichen Lichts: Ein goldgelber ‘Strahl’ dieser Lichbahn erreicht bereits den voraneilenden Wanderer.
Erst im äussersten linken Fenster ist ein weiterer Richtungswechsel dargestellt. Die an der Geburts- und nicht zuletzt auch Wiedergeburts-Seite angekommene Figur streckt sich, nunmehr in Weiss – von allen Verfallserscheinungen gereinigt – nach oben aus. Der Dialog mit Gott ist wieder hergestellt.
Die Ambivalenz gerade dieses vertikal ausgerichteten Zeichens verweist nicht zuletzt und zugleich auf die Auferstehung der Toten und die todlose Zukunft des Christen. Ich halte meine Auferstehungschiffre deshalb für so wichtig, weil das uns vorhergesagte letzte übernatürliche Handeln Gottes am Menschen die meisten davon abhält der Bibel zu glauben. Solange die Toten noch tot bleiben, wird jener übermächtige Erfahrung-Atheismus leider nicht einzudämmen sein.
Vier kleine Botschaften – nur ästhetische Botschaften?
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Das Licht, von Schreiter geformt, ruft uns zu uns selbst und verweist darauf, dass es auch andere Perspektiven gibt als die des Dunkels und der Lamentation. In der Tat: Schreiter, der Glasmaler von Weltrang, is für das Verhältnis van Kunst und Kirche ein Lichtblick, weil er in einer hochgradig komplexen Weise Moral und Ästhetik, Theologie und Kunstreflektion, Offenbarung und künstlerisches Schaffen miteinander verbindet. Friedhelm Mennekes SJ, Kunststation St. Peter, Köln
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Johannes Schreiter: Fenster in der Taufkapelle von St. Nikolai zu Kiel, Fensterhöhe 1,10 m., 2002.
Johannes Schreiter wurde 1930 in Buchholz im Erzgebirge geboren. Von 1949 bis 1957 studierte er in Münster, Mainz und Berlin. Von 1960 bis 1963 hatte er die Leitung der Abteilung „Fläche“ an der Staatlichen Kunsthochschule Bremen. Von 1963 bis 1987 war er Professor an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste in Frankfurt am Main, von 1971 bis 1974 deren Rektor. Seit dieser Zeit wird die architektur-bezogene Glasmalerei Schwerpunkt seines Schaffens. Nie sucht er eine historieserende Lösung. Stets sind der Konkrete Raum und dessen Funktion Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit. Von den vielen Kirchen die mit Glasbildern Schreiters ausgestattet sind, können nur einige wenige genannt werden: St. Marien/Lübeck, die Heiliggeistkirche Heidelberg, die Melanchthonkirche Mannheim, St. Nikolai/Lüneburg, die Marktkirche Goslar, die Wahlkapelle im Dom van Frankfurt/Main. Neben seinen Fenster in Deutschland gibt es viele von ihm im weiteren Europa, in den USA, Japan, Australien und Neuseeland. Auch seine Ausstellungen und Veröffentlichungen sowie die Gastdozenturen und Vorlesungen im In- und Ausland sollen nicht unerwähnt bleiben. Eine schwere Krankheit zwingt ihn 1987 seinen Lehrstuhl aufzugeben. Er lebt heute in Langen (Hessen).
Bücher
* Johannes Schreiter: Glasbilder. Herausgegeben von Hans Gercke, Rainer Volp. Verlag Das Beispiel, Darmstadt 1988
* Johannes Schreiter: Wortfenster. Schnell & Steiner, Regensburg 2008.
* Birgit Schwarz: Johannes Schreiter. Das glasbildnerische Werk von 1959 bis 1980. Hessisches Landesmuseum, Darmstadt 1987 (Zugleich: Heidelberg, Univ., Diss.).
* Holger Brülls und Gunther Sehring: Johannes Schreiter. Glasbilder, Zeichnungen, Collagen 1995-2011, Kunstverlag Josef Fink – Lindenberg, 2011.