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Beat Rink - Anmerkungen zum Thema Schonheit

10 Anmerkungen zum Thema „Schönheit“ aus christlicher Sicht
 
durch Beat Rink
 
1. Bei allem Wandel im Schönheitsverständnis gibt es übergeschichtliche und überkulturelle Merkmale des „Schönen“. Sonst würden wir kaum Kunstwerke aus anderen Zeiten und Regionen als „schön“ empfinden. Das christliche Menschenbild kennt ohnehin solche anthropologischen „Grundkonstanten“. Es ist daran festzuhalten, dass es objektive Kriterien der Schönheit gibt. Dies auch gegen die subjektivistische Definition in der Folge von Kant: „schön = was gefällt“.
 
2. Das christliche Verständnis von „Schönheit“ berücksichtigt die Fragen der Ästhetik und den Gang der Kulturgeschichte. Es will „Schönheit“ nicht auf naive Weise einfordern, als gäbe es keine bewegte Geschichte dieses Begriffs, keine komplexe Kunstgeschichte und auch keine Schwierigkeiten in der konkreten Gestaltung von „Schönheit“. Nur so kann es etwa den Fallen der „Schönheits-Religion“ oder dem religiösen Kitsch aus dem Weg gehen.
 
3. „Schönheit“ ist ein wichtiges christliches Thema und Anliegen: a) Ein christliches Thema: Die Schönheit der Schöpfung kommt aus Gott. Gott selber ist „schön“. Die Heilsgeschichte ist „schön“. Und wo Gott an einem Menschen handelt, ist das Ziel seines Wirkens „schön“. So wird im eigenen Leben erfahrbar: Christus schafft neu, in Christus ist eine „neue [schöne] Schöpfung“ angebrochen. Diese will auch äusserlich, z.B. in der Lebensweise, Gestalt gewinnen. Und Gottes Wirken in der Geschichte („das Reich Gottes“) läuft auf das Ziel des „neuen, schönen Jerusalem“ zu. b) Ein christliches Anliegen: Die Erfahrung der „Schönheit“ durch Gott führt den Christen nicht in eine „splendid isolation“, sondern drängt nach aussen. In ihr manifestiert sich die Liebe zu Gott und zum Nächsten. Auch im engeren Sinn ist „Schönheit“ (z.B. in den Künsten!) ein wichtiges christliches Anliegen, weil sie eben Zeichen dieser Liebe ist. Von christlicher Seite soll deshalb das Thema „Schönheit“ - selbst in Zeiten, wo es keine Konjunktur hat – immer wieder aufgeworfen werden.
 
4. Schönheit ist Zeichen von Gottes Liebe und Gnade: In Anknüpfung an das vorhin Gesagte gilt: Jede Schönheit kommt aus Gott und weist letztlich im Sinn der „revelatio generalis“ (d.h. der für alle erkennbaren Offenbarung; s. Rö.1,20) auf ihn zurück. Gottes Gnade ist überschwänglich und in „unvernünftiger“ Weise grosszügig: Ein viel gebrauchtes Brennmaterial zur Zeit Jesu waren die Lilien, - und diese sind schöner als die Gewänder Salomos! (Mt.6,28). Der Mensch, der Schönes geniessen kann, erfährt ein Stück Freiheit vom bedrängenden Alltag – und damit ein Abglanz der Gnade.
 
5. Jede diesseitige Schönheit ist „gebrochen“. Die Gebrochenheit durch die Sünde bedeutet, dass auch unser „Schönes“ unter dem Vorzeichen der Sünde steht. Wir haben es deshalb immer auch mit „gebrochener Schönheit“ zu tun. [Selbst der himmliche Christus erscheint in der Offenbarung als der Durchbohrte!] Der Wunsch nach ungebrochener Schönheit „im Diesseits“ ist Frucht eines ideologischen Denkens (s. die Kunst in Dikaturen), religiöser Naivität und/oder Ignoranz gegenüber dem komplexen Phänomen „Kunst“. Aber es wird erfahrbar: Gott kann selbst das Hässliche „schön“ machen bzw. Augen für die verborgene Schönheit schenken (Mutter Theresa über die Sterbenden: „Wie schön sie sind!“). Durch Gott ist so auch die Hässlichkeit gebrochen.
 
6. Das christliche Kunstverständnis setzt das „Pulchrum“ (Schönes) in ein Dreieck mit den beiden anderen Werten des „Bonum (Gutes)“ und „Verum (Wahrheit)“. Wobei diese beiden anderen, geschichtlich „belasteten“ Begriffe ebenfalls theologisch zu bestimmen wären – und die traditionelle Ineinssetzung von „Wahrheit und Schönheit“ kritisch zu befragen wäre. Wichtig wäre: Es darf nach christlichem Verständnis keine „autonome Ästhetik“ ohne Ethik geben, weshalb das „Bonum“ und „Verum“ als ethische (nicht-ästhetische) Begriffe eben wichtig sind. Das heisst etwa: Die Pflege von „Schönheit“ ist problematisch, wenn gleichzeitig menschenverachtende Kräfte im Kulturbetrieb herrschen und sich hinter der „Schönheit“ verstecken. Oder: Eine „l’art pour l’art“ tendiert zum Selbstzweck; doch nach christlichem Verständnis meint Kunst einen Empfänger, der im Zeichen der Liebe angesprochen, sprich: aufgerüttelt, zur Wahrheitssuche angestachelt, getröstet oder erfreut wird. Oder: Pervertierungen des Schönheitsbegriffs (Marinetti: „Der Krieg ist schön“) sind radikal abzulehnen. Aber auch schon der heutige „Schönheitskult“ ist zu hinterfragen.
 
7. Ein Merkmal „christlicher Ästhetik“ ist das Personale. Der christliche Glaube bekennt die Personalität Gottes und die persönliche Zuwendung Gottes zu uns Menschen. In den Schöpfungberichten ist von dieser Handschrift Gottes die Rede, wenn „jedes Tier nach seiner Art“ (Gen. 1) entsteht. So ist auch jeder Mensch einzigartig und von Gott in dieser Einzigartigkeit geliebt. Eine „christlich geprägte Ästhetik“ wird diesem Aspekt Rechnung tragen - gegen alle Tendenzen der Anonymisierung, Vereinheitlichung und Vermassung - z.B. in der Architektur moderner Städte.
 
8. Ein wichtiger Bezugspunkt „christlicher Ästhetik“ ist die Herrlichkeit Gottes. Im Alten Testament ist von Gottes „Herrlichkeit“ die Rede. Der Begriff „kabod“ meint auch „Machtfülle“, „Gewicht“, „Wucht der göttlichen Erscheinung“. Das Neue Testament gebraucht dafür das Wort „Doxa“ (auch mit der Bedeutung „Lichtfülle“, „Glanz“). Gottes vollkommene Schönheit ist somit voller Spannung und Kraft, andererseits aber auch leuchtend. Das christliche Verständnis von „Schönheit“ kann sich daran orientieren und damit einer Ästhetik begegnen, die von einer allzu simplen Gleichsetzung „schön=harmonisch“ geprägt ist.
 
9. Schönheit ist ein Merkmal ästhetischer Qualität. Man kanndiese Aussage verschieden akzentuieren: a) Schönheit ist in einem Kunstwerk nur ein Merkmal unter anderen Qualitäts-Merkmalen (z.B. neben „Stimmigkeit von Form und Inhalt“, „Mehrdeutigkeit“, „technische Qualität“, „Ausdruckskraft“ usw.). Sie ist aber ein (aus christlicher Sicht) wichtiges Element. Ebenso wichtig ist die Betonung: b) Schönheit und ästhetische Qualität gehören zusammen. Dies mag banal klingen. Doch gerade unter dem Vorzeichen des Glaubens, der Gott (d.h. auch den Schöpfer des „Kunstwerks Universum“!) durch möglichst gute künstlerische Qualität loben will, kann dies nicht genug betont werden.
 
10. „Schönheit“ entsteht immer wieder neu als Geschenk des Heiligen Geistes. In Johannes 16 und 17 spricht Jesus von der gegenseitigen „Verherrlichung“ von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Und Jesus spricht von der Herrlichkeit, die er uns gegeben hat (Joh. 17,22). Auch wir sind eingeladen, durch das Lob Gott zu „verherrlichen“. „Herrlichkeit“ hat eine ästhetische Seite; sie kann als „Schönheit“ im umfassenden Sinn verstanden werden (s.o). Der glaubende Künstler darf damit rechnen, dass die Erfahrung dieser „Schönheit“ auch in seinem Werk immer wieder zum Leuchten kommt, selbst wo dieses „Hässliches“ zum Thema haben sollte. „Schönheit“ in der Kunst kann auch als Geschenk des Heiligen Geistes gedeutet - und immer wieder erwartet werden.
 
Beat Rink ist der Direktor von Crescendo Ministries International, Basel (CH). www.crescendo.org