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Theo Sundermeier: Fan Pu, Glaube und Theologie

 

Fan Pu: Glaube und Theologie

 
 
Kunst und Theologie
 
durch Theo Sundermeier
 
Fan Pu hat keine Ausbildung an einer Kunstschule genossen. Als sie 1956 im Rahmen der Kulturrevolution an die Grenzen des Landes beordert wurde – eine Zeit, die sie nicht so negativ beurteilt – lernte sie das Leben einfacher Menschen kennen und ihre Weise miteinander zu kommunizieren und sich mit selbstgemachten Geschenken Freude zu machen. Dazu gehörten die sog. ‘Paper cuttings’: mit einem Messer werden die Figuren ausgeschnitten und mit verschiedenen Farben unterlegt.
 
Diese Technik eignete sich Fan Pu an, um nicht nur kleine alltägliche Präsente zu machen, sondern auch ihren Glauben mitzuteilen. Sie wurde zu einer der bekanntesten christlichen Künstlerinnen des neuen China. Dabei hat sie nie ihre chinesische Herkunft verleugnet, sondern zielgerichtet das China seit Jahrhunderten prägende ethische Bewußtsein konfuzianischer Weisheit aufgegriffen. Sie will daß dieses wichtige Erbe auch im neuen eher staatskapitalistisch geprägten China seine Gültigkeit behält. Eine ganze Serie hat sie zu Aussprüchen des Konfuzius geschnitten, um darauf aufmerksam zu machen daß es Sinn macht sich dieser Tradition zu erinnern und als ethischem Leitbild zu folgen. Das sagt ihr Verstand und fordert ihr soziales Gewissen. Einen Gegensatz zur christlichen Ethik ist dabei nicht erkennbar.
 
Das Herz der Künstlerin, die zur sog. Untergrundkirche gehört, schlägt bei der Botschaft Jesu. Zwei Grundmodelle lassen sich in ihrer Kunst unterscheiden, die Illustration und themenorientierte Darstellungen. Nun sind Illustrationen biblischer Texte, vor allem der Geschichten Jesu und die der Apostelgeschichte, auch immer Interpretationen, denn Bilder sagen mehr als Worte. Zur Verdeutlichung fügt Fan Pu gern Worte hinzu, damit auch die der Kirche Fernstehenden das Dargestellte verstehen. In den thematischen Bildern will sie verkündigen, lehren und zum Nachdenken anregen. Zum zweiten Modell gehört unser Bild: Glaube und Theologie.
 
Hände, Hände, Kinderhände, Hände von Männern und Frauen, von Arbeitern und Gelehrten, sie bilden zusammen das Gewand Jesu. Es sind die verschiedenen Hände, die die Künstlerin in all den vielen Paper Cuts herausgearbeitet hat. Es sind unsere Hände, die nach Jesus sich ausstrecken. Fan Pu will dazu aufrufen und die Menschen ermutigen Jesus so zu berühren, sei es nur den Saum seines Gewandes wie die Syrisch-Phönizische kranke Frau, die nur das Kleid Jesu berührte und gesund wurde ( Matth. 9, 20f). So werden auch wir gesund, selbst wenn wir nur wenig von Jesus ‘begreifen’.
 
Das Bild hat aber noch eine andere Dimension. Das aus der buddhistischen Literatur bekannte Gleichnis von den Blinden, die einen Elefant berühren und nun behaupten, der von ihnen ertastete Teil sei der Elefant. Sie beginnen miteinander zu streiten um die Gestalt des Elefanten, die jeder auf seine Weise ‘begriffen’ hat. Der Auftraggeber, der König (= Buddha) aber lachte und spottete, denn sie waren alle blind und verfehlten die Wahrheit.
 
Fan Pu wendet das Gleichnis nicht auf das Verhältnis der Religionen an (wie es mit falscher Interpretation in Schulbüchern oft getan wird), sondern auf das Verhältnis der christlichen Konfessionen und ihren Gelehrten und Mitgliedern. Sie respektiert daß alle auf ihre Weise Christus zugewandt sind und ihn kennen. Aber niemand kennt den ganzen Christus. Immer werden wir nur so viel von ihm erkennen, wie wir ‘begreifen’ können, wie wir ihn im Glauben ertasten und erspüren. Wir sollen unsere begrenzte Erkenntnis gegenseitig respektieren und nicht gegeneinander ausspielen, wie Gelehrte es so oft tun. Sie sind wie um einen Tisch versammelt. Christus ist auch in ihrer Mitte, fraglos. Aber nun sollen sie nicht miteinander streiten, keine unnützen christologischen Disputationen führen, sondern sich dessen freuen daß Christus in ihrer Mitte ist und jedem so viel Erkenntnis seiner selbst schenkt, wie er verstehen kann. Dann wird der Disputationstisch zum Abendmahlstisch, bei dem Christus der Gastgeber ist und sich selbst uns schenkt.
 
Die blaue Farbe, in der die Köpfe aus den verschiedenen Kulturen und Herkünften gestaltet sind, gibt Hoffnung daß die Theologen und Theologinnen verstehen werden daß die Theologie dem Glauben an Christus dienen soll, ihn ‘begreiflich’ macht und nicht zum Streit führt, der die Zerrissenheit der Kirchen zementiert.
 
Fan Pu ist Künstlerin, aber auch von tiefstem Herzen dem Glauben in einem Land verpflichtet, das noch immer keine offene Religionsfreiheit kennt. Deshalb will sie mit ihrer Kunst der Kirche dienen. Die Künstlerin wird zur Predigerin.
 
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Fan Pu: Glaube und Theologie, 2002, paper cutting, 100 x 78 cm.
 
Aus: Fan Pu, The Way of my heart. The Paper Cuts of Fan Pu, Beijing, 2010, p. 255.
 
Mehr Information über Fan Pu and die Amity Christian Art Center, bekommen Sie hier
 
Dr. Theo Sundermeier studierte in Bethel und Heidelberg evangelische Theologie und promovierte in Heidelberg zum Dr. theol. Von 1964-1975 war er Dozent an Theologischen Ausbildungsstätten in Namibia und Südafrika. Von 1975-1983 war Sundermeier Professor für Theologie der Religionsgeschichte an der Universität Bochum und von 1983-2000 Professor für Religionswissenschaft und Missionswissenschaft an der Universität Heidelberg. Sundermeier war Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft (DGMW) von 1990 bis 2004; Vorsitzender der Kammer für Kirchlichen Entwicklungsdienst der EKD von 1976 bis 1987; u.a. Mitglied der International Association of Mission Studies (IAMS), Mitglied der Gesellschaft für Wiss. Theologie, Ehrenmitglied der Association Francophone Ecumenique. Sundermeier ist Mitherausgeber der Reihe Christliche Kunst weltweit (mit Martin Ott), er war Herausgeber der Reihe Beiträge zur Missionswissenschaft und Interkulturellen Theologie im LIT-Verlag (mit Dieter Becker) sowie Mitherausgeber der Reihe Studien zur Interkulturellen Geschichte des Christentums im Peter Lang Verlag (mit R. Friedli u.a.), Mitherausgeber der Missionswissenschaftliche Forschungen im Erlanger Verlag für Mission und Ökumene, Vorsitzender der Herausgeberkommission der Zeitschrift für Mission (ZMiss) sowie Mitherausgeber der Zeitschrift Evangelische Theologie und der Theologischen Literaturzeitung.
Die Vorgehensweise und Relevanz einer „interkulturellen Hermeneutik“ veranschaulicht Sundermeier wiederholt an den Beispielen Kunst und Heilung. In seinen religions- und missionswissenschaftlichen Schriften beschäftigt er sich ausführlich mit den Zeichen und Symbolen afrikanischer und asiatischer Kulturen und Religionen. Seit einigen Jahren hat er diese Untersuchungen auf die Entwicklung der christlichen Kunst von den Ursprüngen im Mittelmeerraum über die Entwicklung in Europa hin zur Entstehung und Entfaltung christlicher Kunst in Afrika, Asien und Lateinamerika ausgedehnt. In seinen jüngeren Veröffentlichungen führt Sundermeier nicht nur in die reiche und unbekannte Bildwelt der Überseeischen Kirchen ein, sondern übersetzt deren Bilder in abendländische Denk- und Verstehensvoraussetzungen, um das Fremde vertraut werden zu lassen. Dabei wird sowohl der religiöse als auch der kulturelle und soziale Hintergrund mit bedacht und erschlossen, vor dem die Bilder sprechen und in den hinein sie wirken wollen. Dem Betrachter wird darin Sinn und Gestalt des zunächst Unvertrauten eröffnet und vertieft.
 
Bücher über Kunst durch Theo Sundermeier:
- Aufbruch zum Glauben. Die Botschaft der Glasfenster von Johannes Schreiter, Frankfurt 2005.
- Totentänze – Tanz des Lebens (with Jürgen Moltmann), Frankfurt 2006.
- Christliche Kunst – weltweit. Eine Einführung, Frankfurt 2007.
- Christliche Themen in der indischen Kunst: Von der Mogulzeit bis heute by Gudrun Löwner, Martin Ott and Theo Sundermeier, Perfect Paperback 2009.
- Christliche Kunst in Japan und Korea, Frankfurt 2010.